Krankheiten und Behandlungsmöglichkeiten

Bluterkrankheit

  • Krankheitsbild
  • Diagnostik
  • Ursachen
  • Symptome
  • Therapie

Krankheitsbild

Die Bluterkrankheit wird in der Medizin auch Hämophilie genannt. Hierbei handelt es sich um eine Erbkrankheit, bei der sich die Blutgerinnung gar nicht oder nur sehr verzögert vollzieht.

Die Hämophilie gehört zu den Erkrankungen, die durch langanhaltende, starke oder überraschend auftretende Blutungen gekennzeichnet sind und demzufolge unter den Begriff „hämorrhagische Diathese“ – der krankhaft gesteigerten Blutungsneigung – fallen. Ursächlich für die Hämophilie ist eine Störung des Gerinnungssystems (Koagulopathie).

Um Wunden zu schließen, werden insgesamt 13 Eiweißkörper (Gerinnungsfaktoren) an dem Prozess der Blutstillung (Hämostase) beteiligt. Eine Funktionsstörung oder ein Mangel eines Blutgerinnungsfaktors können die Blutgerinnung erheblich beeinträchtigen.

Je nachdem, welcher Gerinnungsfaktor defekt ist, kann zwischen den Formen Hämophilie A und B differenziert werden: Ein Mangel an Faktor VIII ist Typ A zuzuordnen, ein Mangel an Faktor IX hingegen Typ B.

Grundsätzlich leidet der Großteil der „Bluter“ an der klassischen Hämophilie A. Darüber hinaus sind fast ausschließlich Männer von der Bluterkrankheit betroffen.

In vielen Fällen liegt auch ein Mangel am Gerinnungsfaktor „Willebrand-Jürgens-Syndrom“ vor, von dem Frauen wie Männer gleichermaßen betroffen sein können.

Diagnostik

Fälle von Hämophilie innerhalb der Familie geben einen ersten, entscheidenden Hinweis darauf, ob ein Patient von der Erbkrankheit betroffen ist.

Zur eindeutigen Diagnosestellung ist die Entnahme einer Blutprobe erforderlich, die im Labor untersucht wird. Dabei werden die Menge und das Verhältnis der einzelnen Blutbestandteile zueinander kontrolliert, die Blutplättchen werden jedoch besonders fokussiert.

Eine erhöhte Anzahl an Thrombozyten weist auf eine Hämophilie hin. Zudem werden die Gerinnungszeit und die sogenannte partielle Thromboplastinzeit (PTT) im Rahmen spezieller Untersuchungen gemessen. Weisen beide eine eindeutige Verzögerung auf, kann von Hämophilie gesprochen werden.


Verlauf

Blutungen in Organen oder anderen Körperregionen stellen stets ein Risiko dar. Bei mangelhafter Therapie oder Nichtbehandlung können Blutungen in den Gelenken schnell zu Verkrüppelungen führen.

Blutungen im Nasen-und-Rachenraum sind kritisch, weil hierbei eine akute Erstickungsgefahr entstehen kann. Blutungen in den Nieren können gravierende Nierenschäden bis hin zu Nierenversagen bewirken, Blutungen in der Bauchhöhle schlimmstenfalls eine lebensgefährliche Bauchfellentzündung hervorrufen.

Blutererkranke, deren Gerinnungsfaktor eine Restkonzentration von über 15 Prozent des Normalwertes aufweist, sind in der Regel symptomfrei.

Ursachen

Für den Verschluss von Wunden ist eine reibungslose Gerinnungsaktivität unabdingbar.

Im Falle einer Hämophilie wird diese jedoch durch einen Defekt auf dem weiblichen Geschlechtschromosom (X-Chromosom) gestört. Weil die Blutplättchen daran gehindert werden, einen Blutpfropf (Thrombus) zu bilden, können die Verletzungen der Gefäße nicht abgedichtet werden und das Blut außerhalb der Gefäße nicht erstarren.

Der Schutzmechanismus des Körpers wird also durch den Mangel oder die Inaktivität von bestimmten Gerinnungsfaktoren erheblich beeinträchtigt: Die Folge sind unstillbare Blutungen.

Von Bluterkrankheit sind in der Regel ausschließlich Männer betroffen. Dies lässt sich auf die Tatsache zurückführen, dass Männer im Gegensatz zu Frauen nur ein X-Chromosom besitzen. Wird dieses verändert, steht demzufolge kein weiteres gesundes X-Chromosom zur Verfügung, um den Defekt auszugleichen.

Bei Frauen hingegen müssten beide X-Chromosomen betroffen sein, um zu erkranken – und das ist äußerst selten der Fall.

Symptome

Symptome können – abhängig von dem Ausmaß des Gendefekts auf die Funktionstüchtigkeit der Blutgerinnungsfaktoren – unterschiedlich stark ausgeprägt sein.

Wie stark sich Symptome grundsätzlich bemerkbar machen, hängt vor allem davon ab, wie hoch die verbleibende Konzentration des Gerinnungsfaktors VIII (bei Hämophilie A) ist. Bei einer Restkonzentration von unter 15 Prozent entstehen durch äußere Eingriffe ausgeprägte Blutergüsse.

Zudem verheilen selbst kleine Wunden bei Blutern schlechter, da das Blut verstärkt oder wesentlich länger als bei einem gesunden Patienten hinaustritt. Obwohl die Haut oder Schleimhäute oftmals nur geringfügige Verletzungen erleiden (zum Beispiel Schnittwunden durch scharfe Gegenstände), verteilt sich die Blutung über eine große Fläche.

Nachblutungen nach operativen Eingriffen, langanhaltendes und häufig auftretendes Nasen- und Zahnfleischbluten sowie verstärkte Menstruationsblutungen sind ebenso Kennzeichen einer Hämophilie. Blutungen im Nasen-und-Rachenraum sind kritisch, weil hierbei eine akute Erstickungsgefahr entstehen kann.

Sinkt die Restaktivität auf unter fünf Prozent der normalen Konzentration, treten gar Spontanblutungen auf, die ohne jegliche Verletzung von außen oder andere Ursachen entstehen. Dann spricht man von einer schweren Hämophilie.

Blutungen müssen jedoch nicht nur äußerlich stattfinden, sondern können auch durch eine Blutung in Gelenken oder Muskeln hervorgerufen werden, die mit Schmerzen für den Patienten verbunden sind. Mit Gelenkblutungen, die häufig schon in den ersten Lebensjahren des Kindes erfolgen, gehen Entzündungen und Vernarbungen der Gelenke einher.

Bei Muskelblutungen wird die Muskulatur in Form von Verkalkungen geschädigt. In einigen Fällen reicht bereits eine geringfügige Gewalteinwirkung (z.B. ein leichter Schlag gegen den Kopf), um Hirnblutungen und dadurch im schlimmsten Fall tödliche Hirnschäden auszulösen.

Therapie

Hämophilie ist bislang nicht heilbar – weder Typ A noch Typ B. Allerdings verhelfen entsprechende Maßnahmen Blutern dazu, sich mit der Erbkrankheit zu arrangieren.

Zum Überleben sind betroffene Patienten auf Blutplasmaspenden angewiesen. Durch die intravenöse Verabreichung von Blutplasma wird der fehlende Gerinnungsfaktor ersetzt und die Konzentration des gestörten Gerinnungsfaktors wieder auf ein gesundes Niveau gebracht.

Auch werden Medikamente verabreicht, durch die die Konzentration für einen gewissen Zeitraum ansteigt.

Bei einer Restaktivität von 15 Prozent des Faktors VIII und bei über 20 Prozent des Faktors IX erfolgt die dosierte Zugabe von Gerinnungsfaktoren in Form einer Bluttransfusion lediglich vor einem operativen Eingriff oder bei akut auftretenden Blutungen. Hierbei muss die Wunde mit Nähten oder Druckverbänden rasch abgedeckt werden, um den Blutverlust zu stoppen.

Bluter mit einer schweren Form der Hämophilie hingegen benötigen mehrmals pro Woche Faktorenpräparate aus Spenderblut oder aus künstlicher Herstellung. Die regelmäßige Verabreichung von Gerinnungsfaktoren birgt jedoch das Risiko, dass der Organismus Antikörper gegen die fremden Faktoren bildet. Durch diese Immunreaktionen bleibt der Effekt des Präparates nach und nach aus.

Bei Patienten mit einer leichten Form des Willebrand-Jürgens-Syndroms (vWFS) ist lediglich eine Desmopressin-Dosis notwendig. Die Struktur der synthetisch hergestellten Substanz ähnelt der des körpereigenen Hormons ADH (auch Vasopressin genannt). Dieses wird in der Hirnanhangsdrüse produziert und kurbelt die Bildung von Faktor VIII in den Endothelzellen an.

Bei seltenen, schweren Formen des vWJS muss ein Faktor VIII-Konzentrat verabreicht werden, dass eine sehr hohe Konzentration des Willebrand-Jürgens-Syndroms aufweist.

Weil Hämophilie einzig durch Vererbung entsteht, sind vorbeugende Maßnahmen wirkungslos. Eine gesunde Ernährung aus reichlich Obst ist für Bluter ebenso ratsam wie äußerte Vorsicht bei Verletzungsquellen.

Auch nimmt die Krankengymnastik einen großen Stellenwert ein: Durch regelmäßige Übungen wird die Beweglichkeit der Gelenke aufrechterhalten, wenn erst kürzlich Blutungen in den Gelenken aufgetreten sind. Bluterkranke müssen stets einen speziellen Notfallausweis mit sich führen.