Krankheiten und Behandlungsmöglichkeiten

Blutgruppenunverträglichkeit

  • Krankheitsbild
  • Diagnostik
  • Ursachen
  • Symptome
  • Therapie

Krankheitsbild

Während der Schwangerschaft können Mutter und ihr ungeborenes Kind unterschiedliche Blutgruppen aufweisen. Von einer Blutgruppenunverträglichkeit wird dann gesprochen, wenn das Immunsystem der Schwangeren die abweichende Blutgruppe des Fötus als Fremdkörper identifiziert.

Das heißt: Sobald sich kindliches und mütterliches Blut mit unterschiedlichem Rhesus Faktor vermengen, bildet das Immunsystem der werdenden Mutter Antikörper gegen die roten Blutkörperchen (Erythrozyten) des Kindes.

Dieser Prozess birgt für das Kind ein hohes gesundheitliches bis lebensbedrohliches Risiko. Beschwerden wie Schwellungen wichtiger Organe oder Gelbsucht sind unter dem Krankheitsbild „Morbus haemolyticus neonatorum“ zusammengefasst.

Nicht identische Blutgruppen weisen unterschiedliche Merkmale auf den roten Blutkörperchen auf, zu denen vor allem der erblich bedingte Rhesus-Faktor zählt. Bei einer Vermengung der Blutgruppen mit abweichendem Rhesus-Faktor wehrt das Immunsystem der Mutter die Erythrozyten des Kindes ab, weil sie nicht mit denen der Mutter übereinstimmen.

Zu einer solchen Unverträglichkeitsreaktion kann es jedoch ausschließlich bei Müttern mit dem Faktor Rhesus-negativ kommen, deren Kinder Rhesus-positiv sind.

Weil das kindliche Blut meist erst während der Geburt in die Blutbahnen der Mutter übertritt, wird das erste Kind in der Regel gesund zur Welt gebracht. Gefährlich werden die Antikörper vielmehr für Rh-positive Föten einer erneuten Schwangerschaft, da die Antikörper nun bereits in großer Anzahl vorhanden sind und lebenslang bestehen bleiben.

Das Risiko einer Erkrankung nach der Geburt ist jedoch gering: es liegt bei fünf bis zehn Prozent. Unverträglichkeiten im AB0-Blutgruppensystem sind äußerst selten.

Diagnostik

Coombs-Test

Um eine Rhesusunverträglichkeit frühzeitig zu erkennen und damit mögliche Komplikationen zu vermeiden, wird die schwangere, Rh-negative Patientin in regelmäßigen Abständen auf Antikörper untersucht.

Dazu werden vor allem 2 spezielle Verfahren, die sogenannten Coombs-Tests angewandt. Während der direkte Coombs-Test Antikörper auf den roten Blutkörperchen ermittelt, fokussiert der indirekte Test Antikörper, die sich im Serum befinden. Bei einem eindeutigen Nachweis von Antikörpern folgen weitere diagnostische Schritte. Wichtig ist es, die Konzentration der Antikörper, die zur Abwehr des „fremden“ Bluts des Kindes gebildet wurden, zu kontrollieren.


Ultraschall

Haben sich die Antikörper bereits in großen Mengen im Blut angesammelt, können sie ein gesundheitliches Risiko für das ungeborene Kind darstellen. Um derartige Gefahren erkennen zu können, kommen Ultraschalluntersuchungen zum Einsatz. Das Ultraschallgerät macht Vergrößerungen der Leber, einen übermäßig hohen Fruchtwasseranteil sowie Wassereinlagerungen im Gewebe sichtbar.

Mithilfe der Doppler-Sonographie kann festgestellt werden, ob das Kind bereits an einer Blutarmut (Anämie) leidet. Dazu wird die Blutflussgeschwindigkeit der Gefäße im Gehirn des Kindes gemessen. Auch die Durchblutung des Mutterkuchens (Plazenta) kann mithilfe des sonographischen Verfahrens beurteilt werden.


Amniozentese und Nabelschnurpunktation

Im Falle einer nachgewiesenen Blutarmut wird dem Kind Fruchtwasser entnommen, um es anschließend auf seinen Bilirubingehalt zu überprüfen. Die sogenannte Amniozentese dient dazu, die Anzahl der bereits zerstörten roten Blutkörperchen des Kindes zu bestimmen. Das Ausmaß der ausgeschiedenen Abbaustoffe gibt an, wie schwerwiegend die Erkrankung ist.

Bei fortgeschrittener Blutarmut greift die Punktation der Nabelschnur. Anhand der aus der Nabelschnur entnommenen Blutprobe wird der verbliebende Anteil an roten Blutkörperchen ermittelt. Indem das fetale Hämoglobin bestimmt wird, kann der Verlust der roten Blutkörperchen genau definiert werden. So erhält der Arzt ein umfassendes und genaues Blutbild des Fötus.

Ursachen

Eine Blutgruppenunverträglichkeit kann zwischen Rhesus-negativen Müttern und ihrem Rhesus- positiven Kind entstehen. Den positiven Rhesus-Faktor hat das Kind dabei von seinem Vater geerbt.

Die Erythrozyten des Kindes können durch einen vorausgegangenen Schwangerschaftsabbruch, eine Fehlgeburt sowie bei der Geburt in die Blutbahnen der Mutter gelangen.

Weil sich das „fremde Blut“ des Kindes mit dem Blut der Mutter verbindet, reagiert das mütterliche Abwehrsystem mit der Produktion von Antikörpern gegen das Blutgruppenmerkmal "Rhesus D". Dieses befindet sich auf der Oberfläche der Erythrozyten und ist ein wichtiges Merkmal, das verschiedene Blutgruppen voneinander unterscheidet.

Rhesus Negativ bedeutet, dass das Merkmal Rhesus D auf den roten Blutkörperchen fehlt, Rhesus positiv hingegen, dass es vorhanden ist.

Weil die Antikörper schließlich über sechs Monate brauchen, um sich zu vermehren und den Mutterkuchen zu durchdringen, bleibt das erste Kind bei der Geburt von einer Erkrankung meist verschont.

Ist die Mutter jedoch ein weiteres Mal mit einem Rh-positiven Kind schwanger, sind die aus der vorherigen Schwangerschaft stammenden Antikörper sofort abrufbereit und können rasch in die Blutbahnen des Kindes gelangen.


Verlauf

Je nach dem, in welchen Mengen rote Blutkörperchen zerstört und Abbaustoffe des Gallenfarbstoffes Bilirubin ausgeschieden werden, kann die Rhesusunverträglichkeit leichte und schwere Formen annehmen.

Bei einer geringfügigen Rhesusunverträglichkeit kann das Neugeborene unter Umständen an Gelbsucht (Ikterus) erkranken. Die Wassersucht hingegen ist das Resultat einer weit fortgeschrittenen Rhesusunverträglichkeit. Ohne Behandlung der Wasseransammlungen im Körpergewebe kann es noch vor der Geburt zum Tod des Kindes kommen.

Symptome

Bei einer Blutgruppenunverträglichkeit sind Symptome ausschließlich beim Kind nachweisbar, nicht bei der Mutter.

Gelangen die mütterlichen Antikörper über die Plazenta in die fetalen Blutbahnen, beginnen sie mit der Zerstörung der roten Blutkörperchen des Kindes. Dieser Prozess zieht Gesundheitsstörungen des Ungeborenen nach sich, die dem medizinischen Fachbegriff „Morbus haemolyticus neonatorum“ zuzuordnen sind.


Blutarmut

Weil das Abwehrsystem der Mutter den Rhesus-Faktor des Kindes als fremd ansieht, zerstören die Antikörper nach und nach die roten Blutkörperchen. Durch den Verlust der Erythrozyten kommt es zur Blutarmut (Anämie).

Weil mit dem Abbau der roten Blutkörperchen auch der rote Blutfarbstoff Hämoglobin vernichtet wird, ist die ausreichende Sauerstoffversorgung im Blut nicht länger gewährleistet: Der Organismus des Kindes ist unterversorgt.


Gelbsucht

Bei einer geringfügigen Rhesusunverträglichkeit kann das Neugeborene unter Umständen an Gelbsucht (Ikterus) leiden. Bei dieser Erkrankung sind Haut, Bindehaut des Auges und Schleimhäute leicht gelblich gefärbt. Grund dafür ist eine erhöhte Menge an Bilirubin, einem Abbauprodukt des Hämoglobins.


Wassereinlagerungen

Die Wassersucht (Ödeme) geht aus der Blutarmut, krankhaften Veränderungen des Herzmuskels sowie einer verminderten Eiweißbildung in der Leber hervor. Auch sind die Gefäße durchlässiger für Eiweiß.

Als Folge der veränderten Gefäße und der geringeren Eiweißproduktion sammeln sich große Mengen wässrige Flüssigkeit im Körpergewebe an, zum Beispiel in der Bauchhöhle (Bauchwassersucht), der Lunge (Lungenödem) oder zwischen Rippenfell und Lunge (Rippenfellerguss).


Vergrößerungen der Milz und der Leber

Die Milz ist für das Filtern von Antigenen aus dem Blut zuständig und aktiv an der Bildung von Eryithrozyten beteiligt. Durch die Zerstörung der roten Blutkörperchen in der kindlichen Milz schwillt das Organ erheblich an. Am Blutkreislauf und der Blutbildung beteiligt ist auch die Leber.

Den Abbau roter Blutkörperchen versucht der kindliche Organismus zu kompensieren, indem große Mengen an neuen Erythrozyten gebildet werden. Die verstärkte Produktion von roten Blutkörperchen führt schließlich dazu, dass sich die Leber aufgrund der Belastung vergrößert. Schwellungen der Organe können beim Abtasten durch den Arzt ermittelt werden.

Therapie

Das Risiko möglicher Gesundheitsschäden für den Fötus soll so gering wie möglich gehalten werden.

Aus diesem Grunde werden sowohl vor der Geburt als auch nach der Geburt entsprechende Maßnahmen eingeleitet. Bei einer Rhesusunverträglichkeit sollten Untersuchungen und Therapieverfahren stets unter professioneller Aufsicht spezieller Fachzentren erfolgen.


Vor der Geburt

Als wichtigstes Ziel gilt die Unterbindung der Eigenproduktion mütterlicher Antikörper. Wird bei der Untersuchung festgestellt, dass das mütterliche Abwehrsystem noch keine Antikörper gegen den fetalen Rhesusfaktor gebildet hat, folgt eine Anti-D-Prophylaxe.

Dazu wird der Schwangeren in der 28. bis 30. Woche eine Spritze verabreicht. Bei der darin enthaltenen Substanz handelt es sich um ein „fertiges“ Immunglobulin mit Rhesusantikörpern. Diese fängt die roten Blutkörperchen des Kindes ab, bevor das Abwehrsystem der Mutter beginnen kann, eigenständig Antikörper zu produzieren. Dem Immunsystem wird vorgemacht, es hätte bereits Antigene gebildet, um den „Fremdkörper“ des Kindes zu beseitigen.

Ist die Mutter erneut mit einem Rh-positiven Kind schwanger, verzichtet das Immunsystem folglich auf die Abwehrreaktion. Auch 72 Stunden nach der Geburt (ebenso bei Schwangerschaftsabbrüchen oder Fehlgeburten) erfolgt die Anti-D-Prophylaxe, um die Eigenproduktion von Antikörpern zu unterbinden.

Werden bei einem positiven Antikörperbefund bereits Gesundheitsstörungen des Kindes mithilfe des Ultraschallgeräts ermittelt, kann eine Behandlung des Fötus im Mutterleib notwendig werden. Bei einer schwerwiegenden Erkrankung kann das Blut im Rahmen einer Blutaustauschtransfusion ausgetauscht werden. Dem Kind wird über die Nabelschnur oder die Bauchhöhle ein Konzentrat aus Erythrozyten mit der Blutgruppe 0 Rhesus-negativ verabreicht.

Bei leichteren Auswirkungen der Rhesusunverträglichkeit wird die Entbindung wenige Wochen vor dem geplanten Geburtstermin eingeleitet, um bleibende Schäden rechtzeitig zu verhindern.


Nach der Geburt

Eine Bestrahlung mit Blaulicht kommt bei leichteren Erkrankungen zum Einsatz. Die sogenannte Fototherapie verfolgt das Ziel, die Beseitigung der Abbauprodukte der zerfallenen Erythrozyten zu beschleunigen. Mit dieser Methode wird der festgesetzte Gallenfarbstoff Bilirubin wasserlöslich und kann über die Niere hinaustransportiert werden.

Ist der Zerfall der roten Blutkörperchen bereits erheblich voran geschritten, wird das Blut des Kindes ausgetauscht und mit der Blutgruppe 0 Rhesus-negativ ersetzt. Weil ein Rippenfellerguss, bei dem sich Wassermengen zwischen Lunge und Rippenfell angesammelt haben, zu Atemnot führen kann, ist in gravierenden Fällen eine maschinelle Beatmung notwendig.