Krankheiten und Behandlungsmöglichkeiten

Muskelschwund (Muskeldystrophie)

  • Krankheitsbild
  • Ursachen und Formen
  • Symptome und Verlauf
  • Diagnose und Therapie

Krankheitsbild

Bei einer Muskeldystrophie handelt es sich um eine angeborene neuro­muskuläre Erkrankung, die aufgrund eines Gendefekts zu einer fort­schreitenden Degeneration der Skelettmuskulatur führt und daher umgangssprachlich als Muskelschwund bezeichnet wird. Da auch der Herz-sowie Atemmuskel betroffen sein kann, verläuft die Krankheit bei manchen Formen tödlich.

Die Muskeldystrophie ist eine seltene Erkrankung, die zumeist im Kindes- und Jugendalter durch das Auftreten erster spezifischer Symptome (wie Einschränkungen in der Motorik) diagnostiziert wird.

Muskeldystrophie ist der Oberbegriff für eine Reihe von verschiedenen Ausprägungen dieses neuromuskulären Krankheitsbildes. Sie unterscheiden sich nur in der Art der vererbten Genform sowie in der Ausprägungsstärke der Krankheit. Die etwa 30 verschiedenen Formen an Muskeldystrophien haben ihre Usache darin, dass das für den Muskelstoffwechsel relevante Eiweiß Dystrophin nicht ausreichend vorhanden ist.


Stufenweiser Verlust an Muskelsubstanz

Die Erkrankung breitet sich progressiv also zunehmend aus. Zumeist beginnt der Muskelschwund im Bereich des Beckens und der Hüfte. Aufgrund des Verfalls dieser Muskelgruppen kommt es zu Schwierigkeiten im Gang. Im weiteren Krankheitsverlauf zieht sich die Muskeldegeneration vom Becken bis hin zu den Beinmuskeln sowie der Schulter-, Nacken- und Armmuskulatur. Hierdurch nehmen die motorischen Fähigkeiten immer weiter ab und der Betroffene ist im fortschreitenden Verlauf meistens auf einen Rollstuhl angewiesen.

Der Verlauf der Muskeldystrophie ist bei einigen Formen tödlich. Da im Endstadium der Erkrankung neben einer lebensgefährlichen Schwächung der Atemmuskulatur vor allem die Herzmuskulatur beeinträchtigt werden kann und durch die Herzschwäche zu einem plötzlichen Herztod führt.

Ursachen und Formen

Muskeldystrophie ist eine erblich bedingte Erkrankung, die aufgrund eines Gendefekts im Erbgut entsteht.

Muskeldystrophien entstehen durch Mutationen im Erbgut. Hauptursache ist ein genetisch bedingter Eiweißmangel im Muskelstoffwechsel der Muskelzelle: das für den Muskelaufbau notwendigen Dystrophin ist gar nicht oder nicht ausreichend vorhanden. Die Folge ist eine Rückbildung des Muskels (Muskelwund).


Formen der Muskeldystrophie

Mehr als 30 Arten von neuromuskulären Erkrankungen, die zu den Muskeldystrophien zählen, sind derzeit bekannt. Die am häufigsten auftretenden Muskeldystrophien sind im Folgenden dargestellt.

Muskeldystrophie Typ Duchenne: Bei dieser Form beginnt der Muskelschwund im Hüftbereich mit zunehmender Verminderung der Beinmuskulatur. Im weiteren Verlauf kommt es zu einer Beeinträchtigung der Schulter- und Armmuskulatur. Zudem nimmt auch die Herz- und Atemmuskulatur ab, weshalb beim Typ Duchenne zumeist eine Lebenserwartung von nicht mehr als 40 Jahren zu erwarten ist. Aufgrund eines Gen-Defekts des Chromosoms X erkranken an diesem Typen vorwiegend Männer und Jungen, da diese nur ein X-Chromosom haben und den Gendefekt somit nicht ausgleichen können.

Muskeldystrophie Typ Becker: Auch hier liegt der Gen-Defekt auf dem X-Chromosom, was bedeutet, dass ausschließlich Männer an diesem Typen erkranken. Der Typ Becker beeinträchtigt ebenfalls den Becken- und Schultergürtel sowie die Herzmuskulatur. Allerdings ist diese Form weniger aggressiv, da noch ein Restprotein für die Muskelbildung vom Körper minimal erzeugt werden kann. Daher wird diese Art der Muskeldystrophie erst im Kindes- oder Jugendalter diagnostiziert. Trotz der weitaus weniger degenerativen Folgen des Muskelschwunds liegt bei akuter Erkrankung auch hier die Lebenserwartung nur bei 40 Jahren.

Muskeldystrophie Typ Emery-Dreifuss: Bei dieser Form beginnt die Muskeldegeneration in Form von Sehnenverkürzungen im Bereich der Achillessehne, des Ellbogens sowie der Nackenmuskulatur. Zunehmend werden auch andere Muskelgruppen geschwächt, die die Mobilität beeinträchtigen. Wie bei den anderen beiden Formen der Muskeldystrophie kann es auch hier zu einem plötzlichen Herztod aufgrund durch geminderte Herzmuskelaktivität kommen. Beim Typ Emery-Dreifuss liegt ebenfalls ein Gen-Defekt des X-Chromosoms vor. Es kann aber auch Veränderungen im Chromosom 1 zugrunde liegen. So kann diese Form sowohl Männer als auch Frauen betreffen.

Fazio-Skapulo-Humerale Muskeldystrophie: Diese Art von Muskelschwund betrifft nicht nur Männer sondern auch Frauen, da sich der Gendefekt nicht auf einem X-Chromosom befindet. Hierbei sind von der Muskeldegeneration als erstes die Gesichts- und dann die Schultermuskeln betroffen. Zirka 20 Prozent der Betroffenen benötigen im weiteren Verlauf einen Rollstuhl, da auch zunehmend die Fuß- sowie Hüftmuskulatur angegriffen wird. Atem- sowie Herzmuskulatur bleiben in der Regel unversehrt. Deswegen ist die Lebenserwartung mit einer Fazio-Skapulo-Humerale Muskeldystrophie normal.

Myotone Dystrophie Typ 1 (Typ Curschmann-Steinert): Diese Form tritt vorwiegend erst im Erwachsenenalter auf und entsteht aufgrund einer Verlängerung eines bestimmten Genabschnittes. Damit sind sowohl Männer als auch Frauen von dieser Ausprägung betroffen. Es kommt zu einer Muskelschwäche in den Bereichen der Unterschenkel, Unterarme, Hände sowie des Gesichts. Das Herz sowie die Atemmuskulatur sind hierbei nicht gefährdet.

Symptome und Verlauf

Das Ausmaß und der Verlauf einer Muskelschwäche sind abhängig von der Form der jeweiligen Muskeldystrophie.

Alle Muskeldystrophien verlaufen progressiv. Das heißt, die Muskelschwäche breitet sich langsam über mehr Muskelgruppen, vorwiegend des Bewegungsapparates, aus und kann im schlimmsten Fall den Herzmuskel lebensgefährlich schwächen.

Bei allen Muskeldystrophie-Typen liegt eine Schwächung zunächst einer und dann mehrerer Muskelgruppen vor. Gerade im Bereich der Hüfte, des Beckens sowie des oberen Skelettbereichs wird die Motorik des Betroffenen dadurch bereits deutlich verschlechtert. Es kommt zu Fehlbelastungen sowie Haltungsstörungen mit schmerzenden Verspannungen und Muskelschmerzen. Zudem sind Fehlstellungen der Gelenke die Folge der oft einseitigen und dysbalancierten Belastungen. Im weiteren Verlauf der Erkrankung sind viele Betroffene auf einen Rollstuhl angewiesen.

Eine Muskelschwäche im Bereich des Gesichts hat zur Folge, dass die Betroffenen oft das Lid nicht mehr vollständig schließen können oder den Mund zu einem Pfeifen formen können.

Anders als beispielsweise bei Multiple Sklerose ist vorrangig die Skelettmuskulatur von der Muskelschwäche betroffen. Dennoch können bei manchen Muskeldystrophie-Typen im weit fortgeschrittenen Krankheitsverlauf die Atem- sowie Herzmuskulatur abnehmen. Neben Atemnot und einem erhöhten Lungenentzündungsrisiko, besteht die Gefahr einer Herzinsuffizienz und einem damit verbundenen plötzlichen Herztod.

Diagnose und Therapie

Muskeldystrophien sind nicht heilbar, weswegen die Therapie auf den Erhalt der Beweglichkeit und der damit verbundenen Lebensqualität fokussiert ist.


Diagnose

In der Regel werden Muskeldystrophien bereits im frühen Kindes- oder Jugendalter diagnostiziert. Der hier am häufigsten auftretende Typ Duchenne zeichnet sich oft durch eine auffällige Muskelschwäche bei bestimmten Bewegungsausführungen des Kindes aus.

Neben einer gründlichen Anamnese auf solch erblich bedingte Krankheiten, prüft der Facharzt zunächst die Reflexe sowie die Ausprägung der Muskulatur bei einer körperlichen Untersuchung. Anschließend erfolgt eine Blutuntersuchung auf Kreatinkinase. Dieses in der Skelettmuskulatur vorzufindende Enzym ist bei Muskeldystrophie Typ Duchenne und Becker deutlich erhöht. Das allein gibt aber noch nicht gesichert Aufschluss über einen Muskelschwund.

Als weitere Diagnosemaßnahmen werden neben bildgebenden Verfahren, wie Ultraschall oder MRT, eine Elektromyographie sowie Elektroneurographie herangezogen. Hierbei werden Muskelströme und die Nervenleitgeschwindigkeit gemessen. Bei einer Muskelbiopsie können hingegen die Vorgänge des Muskelstoffwechsels unter dem Elektronenmikroskop untersucht werden. Ein EKG ist hilfreich, um herauszufinden in welchem Zustand sich die Herzmuskulatur befindet.


Therapie

Dadurch, dass Muskeldystrophien aufgrund eines Gendefekts entstehen, ist die Erkrankung nicht heilbar. Aus diesem Grund zielt die Therapie darauf ab, die Lebensqualität der Betroffenen möglichst lange zu erhalten. Besonderer Fokus liegt hierbei auf dem Erhalt der motorischen Fähigkeit und der damit verbundenen Mobilität.

Die symptomatische Therapie beruht vor allem auf Physiotherapie, um den Verfall der Muskelsubstanz so lange es möglich ist, entgegenzuwirken und muskuläre Dysbalancen durch Fehlbelastungen sowie Haltungsschäden auszugleichen. In frühen Stadien der Erkrankung kommen auch Ergometer sowie Schwimmtraining zum Einsatz. Die Bewegungstherapie zielt jedoch nicht auf Muskelaufbau sondern vielmehr auf Funktionsoptimierung ab.

Medikamentös wird in der Regel nur der Typ Duchenne, der früh in der Kindheit ausbricht, behandelt. Verabreichtes Kortison soll den Kraftverlust verzögern.

Die Betroffenen müssen regelmäßig die Lungen- sowie Herzfunktion untersuchen lassen. Logopädie zum Erhalt und Training der Sprache sowie präventive Atemübungen oder Trainieren der Atemhilfsmuskulatur gehören ebenfalls zu den Therapiemaßnahmen. Im späteren Verlauf der Erkrankung kommen Hilfsmittel, wie Rollstuhl oder bei Sprachverlust auch ein Sprachcomputer zum Einsatz.

Ist die Krankheit bereits so weit fortgeschritten, dass Funktionsstörungen im Bereich der Atmung sowie des Herzens auftreten, werden Herzschrittmacher und Beatmungsmaschinen eingesetzt.